Sonntag, 27. Dezember 2009

Tod in Südafrika

Am Freitag den 18. Dezember verstarb Onkel Mpho. Noch am Vormittag hatte er mit seinem Cousin im Garten einige Häuser weiter gearbeitet und als er sich dann nach dem Mittagessen vom Stuhl erheben wollte, kippte er nach hinten weg und schlug mit dem Kopf an die Wand. Zuerst bewusstlos, dann mit Krämpfen auf dem Boden windend und dann „schlafend“ wurden Mmama und ich erst am Abend benachrichtigt, wir sollten den Onkel doch bitte nach Hause bringen.

Als ich am Ort des Geschehens ankam, ahnte ich sofort das Schlimmste. Auch wenn die alten Damen noch um ihn rum saßen, ihn befühlten und sich unentwegt zuriefen, er sei doch noch warm. Es war zu spät. Da Mmama wusste, dass man ihr nicht glauben würde, wenn sie die Wahrheit über Mphos Zustand erklärte, holte sie eine Nachbarin hinzu, ihres Zeichens Krankenschwester und ließ diese den unruhigen Anwesenden die Nachricht übermitteln. Der Schock war allen ins Gesicht geschrieben und keiner wollte es wirklich wahrhaben. Ich wurde mit Phenyo nach Hause geschickt und war somit diejenige, die es Yvonne sagen musste.

Der Abend war ziemlich schrecklich, da alle paralysiert waren, gleichzeitig aber die Dokumente und der Leichenwagen organisiert werden mussten, um den Onkel in die „moshery“ zu bringen. Alle Verwandten und Freunde wurden angerufen, Nachbarn informiert und die meisten beschuldigten uns noch eines schlechten Scherzes: Onkel Mpho – der verrückte, witzige alte Mann, der einfach immer zugegen gewesen war und schon jeden Mal zum Lachen gebracht hatte. Nun war er einfach gegangen.

Am Samstag standen alle sehr früh auf, denn es gab einiges vorzubereiten. Ich war von 9- 12 Uhr zur Arbeit im Y- Centre, da es der letzte Tag unseres Workshops war und wir unsere Abschlusssendung hatten. Anschließend ging ich direkt heim, um mit anzupacken: Die gesamte Bekleidung Mphos, alle Bettücher und Vorhänge wurde gewaschen, das Zimmer des Verstorbenen wurde bis aufs Bett und eine Kommode leer geräumt, die Zimmerwände ausgebessert und der Boden gefegt. Hier in Südafrika ist es Brauch, dass die „Hausmutter“ – hier Koko Nnoy - vom Tage des Todes bis ungefähr 2 Wochen danach auf einer Matte im Zimmer des Verstorbenen schläft, eventuell mit zwei bis drei ihrer Schwestern oder Cousinen, die über diesen Zeitraum dann dort wohnen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht muss ein Licht den Raum erhellen, gleich ob Glühbirne oder Kerze.

Neben diesen häuslichen Vorbereitungen gab es allerdings auch einige Gäste zu bedienen, denn vom Tage des Todes an kommen jeden Tag Besucher, um mit den Hinterbliebenen zu trauern. Man kann sich jetzt darüber streiten, was trauern ist. Hier sieht das so aus, dass vom frühen Morgen bis späten Abend Männer und Frauen voneinander getrennt im Garten im Schatten sitzen, Tee trinken, Kekse essen, zu Mittag essen, zu Abend essen und sich unterhalten. Das bedeutete für mich Kekse backen, Tee kochen, die Herren bedienen, Kekse backen, abwaschen, Tee kochen, die Damen bedienen, abwaschen, Tee kochen,… Auch wenn es zum Servieren des Essens kommt, müssen immer die Herren zuerst bedient werden, dann kommen die Damen. Fragen hierüber sind überflüssig – Tradition.

Am Abend waren wir alle dann ziemlich erschöpft und ich ging früh schlafen.

Der Sonntag verlief ähnlich, ein Gastbruder und anderer Onkel strichen das Haus neu, das Zelt wurde im Vorgarten aufgestellt, die Kochstelle aufgebaut, der Rasen gemäht. Gegen 13 Uhr nach der Messe kamen dann die Kirchenmitglieder vorbei, es wurde ein kurzer Gottesdienst im Hause am Zimmer des Toten gehalten, gesungen und gebetet. Anschließend wieder Kekse angeboten und Fruchtsaft ausgeschenkt.

So ähnlich verging auch der Montag, außer, dass abends einige Freunde vorbeikamen und mich mit zu Madalas zum Braai nahmen. Das tat wirklich gut, da die Stimmung bei uns natürlich schon relativ gespannt und bedrückend war. Nur zwei Stunden draußen zu sein, laut lachen und Späße machen zu können, war sehr befreiend.

Am Dienstag nahm mich Mmama dann mit, um die Einkäufe für Mittwochnacht und Donnerstag zu unternehmen, auch weil alle meinten, ich arbeite ansonsten zu viel im Hause. So fuhren wir mit Thabo nach Rustenburg und machten Großeinkauf in einem Supermarkt, der voll mit Chinesen und anderen Shopbesitzern ist. (Denn die meisten lokalen Shops werden von Chinesen geführt. Aus irgendwelchen Gründen gehen die von Südafrikanern geleiteten Läden fast immer bankrott.) Es war rappelvoll sowie die gesamte Stadt kurz vor Weihnachten und ich kam mir mit unserem Rieseneinkaufswagen vor, wie beim Autoskooter. Als wir nachmittags zurückkamen, war erstmal ein langes, kühles Bad angesagt und dann versuchte ich etwas zu entspannen.

Mittwoch in der früh weckte ich Lucky auf, um für 7 Uhr bereit zum Aufbruch zu sein. Wir fingen ein Taxi in die Stadt (to fetch a taxi to town) und gingen dort auf Kleider-, Schuh- und Accessoires- Jagd. Trotz der frühen Stunde war es brütend heiß und wir waren mehr als erschöpft, als wir kurz nach 1 wieder daheim ankamen. In der Zwischenzeit war schon mehr Verwandtschaft aus dem Lande angerückt, denn die Nacht vor der Beerdigung gehört hier ganz essenziell mit zur Zeremonie dazu.

Um 18 Uhr war es dann soweit: Der Sarg wurde von der „moshery“ mit dem Leichenwagen zum Hause des Verstorbenen gebracht. Alle Trauergäste bildeten einen Pfad, inmitten dessen der Sarg bis zu Mphos Zimmer getragen wurde. Dort hatten sich inzwischen Koko Nnoy, die beiden Cousinen, Yvonne, Phenyo, Refilwe, Karabo und auch ich (somit ein Teil der Familie!) auf Mphos Bett zusammengefunden. Es hätte hochspirituell sein können, doch das Quietschen der Trage, das Keuchen der Männer, der immer wieder zusammenklappende Aufstellvorhang, das alles machte die Situation doch etwas skurril. Und trotzdem überkam mich ein Schauer, als ich dann an den Sarg geholt wurde und den in weiße Tücher gehüllten Mpho durch das Glas sah. Es war das erste Mal, dass ich einen Toten so gesehen habe.

Die Kleinen waren ziemlich aufgewühlt, Karabo hatte einen heftigen Weinkrampf und wir gingen mit ihnen raus, um sie zu beruhigen. Aber auch ich musste mich dann erst einmal etwas apart setzen, um Durchzuatmen und das Gesehene zu verarbeiten.

Inzwischen hatten Damen von der „society“ und andere Freunde begonnen, mehr Kekse zu backen, Karotten und Kartoffeln zu schälen, Tomaten zu reiben, Zwiebeln zu häuten, das Fleisch zu marinieren und überhaupt alle Zutaten für den kommenden Tag vor- und zuzubereiten. Den Rest der Nacht verbrachten wir draußen, die Männer mit ihren Getränken, die Frauen am Arbeiten und die Jüngeren (also meine Gastbrüder, Freunde von uns und ich) zusammensitzend. Nur gegen 3 Uhr entschied ich, mich für zwei Stunden hinzulegen. Um 5 ging ich ins Bad, zog mich um und war dann um 6 Uhr bereit für die Beerdigung.

Es gibt für solche Anlässe hier ganz bestimmte Kleidungsrichtlinien: So müssen die Männer neben Hose und Hemd auf jeden Fall ein Jackett tragen und die Frauen müssen Schultern, Knie und ihren Kopf bedecken. Die Farbauswahl der Bekleidung steht aber jedem ganz frei, es muss gar nicht schwarz sein.

Bis 7 Uhr kamen weitere Trauergäste aus ganz Luka und Umgebung dazu und unter dem Zelt im Vorgarten begann der Totengottesdienst. Es wurde wieder gesungen, gebetet, zwei Reden gehalten und die Grüße oder Wünsche der Familie an den Verstorbenen vorgelesen. Mit dem Kirchenlied „He is going home to die no more“ zog die ganze Trauergemeinde singend hinter dem Leichenwagen her bis zum Friedhof ans Grab. Die Familienmitglieder setzten sich unter das weinrote Zelt und alle anderen standen im großen Kreis um das Grab herum. Wieder wurden Worte vom Pfarrer verlesen, wir beteten und sangen und dann wurde der Sarg langsam hinabgelassen. Alle Männer, die sich dazu in der Lage fühlten, stellten sich in einer Schlange hinter das offene Grab und begannen der Reihe nach die Öffnung mit dem rotbraunen Sand zuzuschaufeln. Ob der Trockenheit staubte es unheimlich und wir mussten unsere Tücher vor Nase und Mund halten. Dann wurden Blumen und ein mit Mphos Namen versehenes Holzscheit auf das Grab gesteckt und wir traten den Rückweg an.

Die zurückgebliebenen Helferinnen hatten schon alles vorbereitet und an den beiden Eingangstüren zum Garten befanden sich mit Seife und grünen Paprikastückchen versehene Wassereimer, um sich die Hände zu reinigen. Wieder geschlechtergetrennt stellten sich die Gäste für das Totenmahl an und verteilten sich dann auf den Stühlen und anderen Sitzmöglichkeiten.

Am Nachmittag ging ich für einige Stunden mit Freunden zu Oupa nach Hause, da wir dort Platz hatten und etwas lebendiger sein konnten, doch als ich abends zurückkam, saßen immer noch viele Leute im Garten.

Ich hatte gedacht, dass es mit Donnerstag vorbei sei, doch bis heute noch haben wir täglich besuch von Verwandten, die den Tag hier verbringen und kräftig beim Resteessen helfen. Die einen sehen darin „emotionale Unterstützung“, andere nennen es glatt „Ausbeute – die sind doch froh, dass sie mal für eine Woche nicht kochen müssen und freie Mahlzeiten erhalten“. Wie auch immer, wir sind jetzt schon über eine Woche in die Beerdigungsvor- und Nachbereitungen eingebunden und eine kleine Auszeit vor Arbeitsbeginn täte hier allen gut.

Obwohl ich meinem geplatzten Urlaub in Cape Town schon nachtrauere, bin ich trotzdem davon überzeugt, dass dieses Erlebnis ganz wichtig war und mich noch mal um einiges näher an den hiesigen Kulturkreis und auch die Familie gebracht hat.

Samstag, 26. Dezember 2009

Radio Y's Workshop

Von Montag (den ich verpasste) bis Samstag hatten wir einen Radio Workshop mit Busi aus Cape Town. Radio? Wieso?

Mitte Dezember fanden die Auswahlgespräche für den Posten der groundBREAKER 2010 statt. Ich nahm daran teil und wurde daraufhin zum Radio Y’ s groundBREAKER ernannt. Die Freude war groß, da mir dieses Arbeitsfeld unheimlich gefällt! Wir sind ein Team aus 7 Radiomitarbeitern, darunter zwei DJs und kommen sehr gut miteinander aus. Wir haben viele kreative Köpfe und sind ziemlich motiviert etwas Professionelles auf die Beine zu stellen. Noch haben wir keinen Sendeort – außer unser Y- Centre – aber eventuell werden wir bald mit der Rustenburger Radiostation zusammenarbeiten und einige Sendezeiten für unsere Programme erhalten. Das wäre natürlich wirklich grandios!

Im Workshop ging es um das vertraut werden mit den Computerprogrammen für Musik, Mixing, Recording, Editing und die Ausrüstung wie Mikrofone, Aufnahmegeräte und so weiter. Außerdem lernten wir ein Radioprogramm zu planen, zu gestalten, zu strukturieren, durchzuführen und dann zu halten.

Am Samstag hatten wir dann nach einer Woche Lern- und Vorbereitungszeit das finale Programm zum Thema „festive season and safety“ mit zwei Interviews – DJ und Polizist – Weihnachtsdedikationen, Vox Pops und natürlich Musik. Es war recht aufregend und manches ging noch schief, doch wir hatten endlich mal einen Eindruck davon, live „on air“ zu gehen. Eine interessante und bereichernde Woche, die mein Hirngespinst >Journalismus und Co.< wieder aufleben lassen hat.

AllStarGames (11.- 14. Dez 09)

In Johannesburg - ganz exklusiv dieses Jahr! Von wegen.

Aber lasst mich von vorne beginnen: Seit meiner Ankunft in Luka wurde mir von den grandiosen „AllStarGames“ in Joburg vorgeschwärmt (als eine Fortführung der ClusterGames  siehe Blogeintrag vom …). Zunächst war ich als Gast geladen, dann ausgeladen, „nein, es sind keine groundBREAKER erwünscht“ und dann, einen Tag vor Beginn, wieder hinzuberufen. loveLife. Mehr sage ich jetzt dazu gar nicht. Diese Umstände bin ich ja inzwischen gewohnt. Doch dieses Mal war mir nicht so nach Lachen zumute, da das Datum genau auf meinen Geburtstag fiel und ich die damit verbundene und geplante Feier vergessen musste.

Stattdessen durfte ich um 5 Uhr morgens aus den Federn, um 6 Uhr mit dem Taxi nach Rustenburg fahren und dort am Treffpunkt (geplante Abfahrtzeit war halb sieben) an die 3 Stunden auf Teilnehmer aus Brits warten. Diese schafften es aber nicht, so mussten wir alle den Umweg über Brits machen und die restlichen Leute einsammeln. Gegen 14 Uhr fuhren wir über die große Brücke in Johannesburg mit unglaublicher Sicht auf die Stadt. Ich freute mich – wenigstens mal wieder etwas „heimisches“ Stadtgefühl. Doch unser Bus fuhr weiter und weiter… und weiter… und weiter… und ich wartete verzweifelt auf ein quietschen der Bremsen. Um kurz vor drei hatten wir das Stadtschild schon wieder hinter uns gelassen und ich konnte nur sehnsüchtig nach den grauen Hochhäusern, dem Smog und Autoverkehr zurückblicken.

Um euch nicht länger auf die Folter zu spannen: Etwa 70 Kilometer außerhalb von Johannesburg, in dem öden Vanderbijpark (ja, das mit dem begrabenen Hund!), war das Uni- Stadion, in dem die Spiele stattfinden sollten. Etwa 2 Kilometer vor Ankunft brach dann noch unser Bus zusammen, was die ganze Angelegenheit auch nicht gerade besser machte. Halb fünf waren wir dann ausgeladen und ich hatte einen >wunderbaren< Tag im Bus verbracht – ein Geburtstag wie im Bilderbuch =)

Unsere Unterkunft war auch ganz toll. Ein altes Studentenwohnheim mit allerlei Cocruches, keinen Bettlaken und mal wieder zu wenig Zimmern. Also schliefen wir auf fünf Matratzen zu zehnt! Supi! Und das für drei Tage und Nächte!

Die Spiele waren schlecht organisiert, die Jury war voreingenommen und nicht neutral, viele Teilnehmer am Ende demotiviert und enttäuscht.

Natürlich, es gab schöne und witzige Momente, ich habe einige interessante Menschen kennengelernt, doch Alles in Allem war es doch ziemlicher „kak“ und ich war einfach nur heilfroh, als ich wieder zurückkam. Trotz überwältigender Müdigkeit ging ich dann am Montag sogar noch ins Y- Centre, das ich noch nie so vermisst hatte!

Sonntag, 6. Dezember 2009

Potchefstroom

„Wie ich mein letztes Wochenende verbrachte“ oder „Wie Südafrikaner Party machen“.

Am letzten Freitag, den 27. November brachen Yvonne, Beauty und ich nach der Arbeit gegen 18 Uhr Richtung Potchefstroom auf.

Eigentlich waren wir zu zehnt gewesen, doch wie das dann immer so ist, sprangen noch bis zum Vortag sieben von unserem Trip ab, so waren’s nur noch drei. Geladen hatte Godfrey zu dem 25- jährigen Hochzeitstag seiner Schwiegereltern, er und sein Schwager hatten allerdings die große Feier ausgerichtet und damit waren nicht nur Familienmitglieder, sondern auch Freunde und andere Bekannte herzlich willkommen. Uns dreien kam diese kleine Auszeit von hier ganz gelegen, da wir mit der Eröffnung des Jugendzentrums am 25. November und den damit zusammenhängenden Organisationsverwicklungen, ganz schön ausgelaugt waren und ein Ortswechsel ja manchmal doch die eine oder andere Energie- und Motivationsquelle sein kann.

Potchefstroom. Ja wo ist das denn eigentlich? Und wie kommt man da ohne Auto hin?

Potchefstroom ist südlich von Rustenburg gelegen und wenn kein Auto zur Hand ist, dann sind die Taxis gefragt. Taxis – für alle, denen das jetzt nicht so klärchen ist – sind hier nicht die gelben Taxen, die einen komfortabel aber für einen hohen Gegenwert von A nach B bringen, sondern eher enge, stickige Kleinbusse (außer die speziellen Quantams), die man mit speziellen Handzeichen auf sich aufmerksam machen muss. Ja, genau mit so einem wollten wir nach Potchefstroom fahren. Als wir dann aber gegen halb 7 abends am Taxirank in Rustenburg ankamen, fanden wir heraus, dass es keine Direktverbindung zu unserem Zielort gibt. Wir sollten über Klerksdorp und dann von dort zurück nach Potchefstroom fahren. Na gut, was soll’s, was anderes blieb uns ja auch nicht übrig.

Wir saßen also im Taxi und warteten. Worauf? Auf weitere Mitfahrende. Denn anders, als Busse, die zu bestimmten Zeiten fahren, macht sich ein Taxi normalerweise nur mit genügend Insassen auf den Weg. Es war schon bald 8 und das Taxi zählte neun Personen plus Fahrer. Doch nicht genug, „ich fahre ab 11 Leuten los“ war die Botschaft. Dass um diese Uhrzeit noch mehr Gäste nach Klerksdorp kommen, ist jedoch ziemlich unwahrscheinlich. Wir saßen also auf glühenden Kohlen: Warten, ob das Taxi fährt, eines der letzten Taxis zurück nach Luka nehmen oder doch trampen? Dann kam der Taxifahrer glücklicherweise mit einer Alternative, er könne seinen privaten Avanza organisieren und uns zu neunt nach Klerksdorp fahren. Es sei dann zwar 10 Rand teurer, doch wenigstens kämen wir weiter.

Tja, leichter gesagt, als getan. So ein Avanza ist üblicherweise für 7 Mitfahrende konzipiert. Mit der neuen Situation saßen dann aber vier Personen hinten, vier in der Mitte und zwei vorne. Ihr könnt euch das vorstellen wie: Erste Person links an der Tür sitzt normal, zweite Person mit linker Pobacke auf dem rechten Schenkel der ersten Person, zweite Person sitzt mit linker Pobacke auf dem rechten Schenkel der zweiten Person und so weiter bis zur rechten Tür. Na ja, war ja nur für eineinhalb Stunden. ;-p Und wäre unser Fahrer nicht mit 120 über die 80er Schilder gebrettert, dann wäre die Fahrt wohl auch noch etwas länger geworden und der linke Pobackenkrampf hätte sich ins Unerträgliche entwickelt.

Heil und gesund kamen wir gegen 22 Uhr in Klerksdorp an und im Gegensatz zum um diese Uhrzeit leeren Rustenburger Taxirank, war doch noch einiges los. Unsere ganze Reise war unter dem Motto „no risk, no fun“, denn wir hatten ja keine Ahnung, ob wir von Klerksdorp in der Nacht überhaupt noch nach Potch kämen. Doch wir hatten Glück. Es kümmerte sich gleich ein Linemanager um uns und brachte uns zu einem Auto, dessen Fahrer uns nach Potch bringen könne. Wir stiegen ein, zahlten die 25 Rand und in 20 Minuten hatten wir Potchefstroom erreicht.

Doch hier ist die Fahrt noch nicht zu Ende!
Wir mussten ja jetzt irgendwie zu Godfrey gelangen, der ohne Auto und inmitten der Partyvorbereitungen steckte. Leyla (eine andere lL Mitarbeiterin) hatte uns deshalb angeboten, uns vom Taxirank abzuholen. Als wir versuchten sie anzurufen, war ihr Handy allerdings aus. Mpf. Und nu? Wir riefen Godfrey an, der sich um einen Transport kümmern wollte. Nach langem Warten kam dann Leyla aber doch noch an, ohne Erklärung oder Entschuldigung brachte sie uns einfach zu Godfrey und verschwand dann auch relativ schnell wieder. Ähm ja. So sind die Leute manchmal…

Um Mitternacht lernten wir also Godfreys Frau, ihre 4 Schwestern, den kleinen Sohn, die Schwiegereltern und seinen Freund und Schwager kennen. Ein anderer Freund brachte uns dann um 1 Uhr zu unserer Schlafstätte, die „4 Artillery Response“.

Ein Armeelager? Wieso das denn?
Auf diesem Gelände ist auch ein Camp für Jugendliche untergebracht, für das Godfrey nebenher arbeitet. So konnte er uns einfach und kostenlos unterbringen. Normale Doppelbettzimmer mit Wasserkocher und Waschbecken. Als wir ankamen schliefen wir sofort ein und wachten erst um 10 Uhr wieder auf.

Den Vormittag verbrachten wir mit der Erkundung des riesigen Geländes und die Küchenmitarbeiter gaben uns dann lieberweise noch Mittagessen. Um fit für die abendliche Party zu sein, legten wir uns anschließend noch mal zum Mittagsschlaf hin, machten uns gegen 17 Uhr fertig und wurden um 18 Uhr von der Campleiterin mit zurückgenommen.

Godfrey und die anderen hatten das Häuschen und den Vorgarten wirklich schön hergerichtet, die Straße war wegen des großen Zeltes gesperrt und es war insgesamt ziemlich voll. Der erste Teil des Abends war für uns nicht so spannend, da es sich um viele Reden von Familienmitgliedern, Freunden und Nachbarn handelte und ich zusätzlich kaum was davon verstand. Es gab das typische Festessen und im Anschluss daran wurde getrunken. Es ist ja nicht so, dass erst nach dem Essen getrunken wird – nein – schon als wir um 7 Uhr ankamen, waren einige der auch älteren Herrschaften schon gut dabei.

Wir zählten die Schnulzlieder runter. Den DJ hatten wir um etwas mehr Fetz gebeten und er hatte uns „noch 4 Lieder, dann…“ versprochen: Noch 4, noch 3, noch 2, noch 1, noch 0… hä? Hei DJ! …ahh! Ja, danke! Und ntsntsnts. Dann ging los. Ich glaube die ersten nach tanzen ausschauenden Bewegungen machte ich gegen 11, halb 12 und so ging es dann rund bis zum Morgengrauen. Es tat einfach gut mal wieder abzutanzen und in der Runde war es einfach sehr spaßig! Um 6 Uhr bat ich dann um Auszeit und Beauty und Yvonne legten sich mit mir für 2-3 Stündchen ab. Als wir aufwachten hatten unsere Gastgeber schon allen Abwasch getätigt und saßen unterm Zelt im Schatten. Dann ging auch das Trinkgelage schon wieder weiter, als hieße es: Wir müssen das Zeug jetzt einfach alle machen, bevor es noch schlecht wird! Wir drei lehnten die diversen alkoholischen Angebote dankend ab, aber um uns herum wurde vergnüglich weitergeschlürft. Und nicht nur die jüngere Generation, ne, gerade die Älteren waren unwahrscheinlich fit und hatten mit ihren Ciders, Whiskeys und Bieren ihren Spaß.

Wir verbrachten noch unseren halben Tag dort. Sitzend, tanzend, quatschend. Um 15 Uhr brachen wir dann auf, um unsere Sachen zu holen und Godfreys Freund schlug vor, mal an der Tramperstelle vorbeizuschauen. Eine gute Idee, denn das erste Auto war genau nach Rustenburg und wir drei Damen konnten ganz angenehm zu dritt hinten sitzend für 30 Rand zurück nach Hause gefahren werden. Glück Glück Glück.

Um halb 5 standen wir dann auch schon wieder vor heimischen Toren. Müde, aber zufrieden.

Noch jetzt müssen wir manchmal lachen, wenn wir an unseren Trip nach Potch denken. Die Hinfahrt, die Party und die Menschen dort. Irgendwie noch mal von einem anderen Schlag, als die Rustenburger Bevölkerung.

Ja, wir haben es wirklich genossen!

Mittwoch, 11. November 2009

Kaum zu glauben...

Während mich in den ersten Wochen das Erlernen der hiesigen Sprache, grundlegende Verhaltensweisen und fundamentale kulturelle Gegebenheiten beschäftigten, lerne ich in den letzten Wochen sehr viel über den afrikanischen (Aber?-) Glauben dazu.

Meine erste Begegnung mit diesem Glauben war vor rund 2 Wochen, als ein ziemlich heftiges Unwetter über Luka und Umgebung wütete. Wir verbrachten die Nacht fast in kompletter Dunkelheit und nur der Schimmer einer Kerze erhellte das Wohnzimmer etwas. Im Gespräch wurde mir dann die folgende Geschichte erzählt: „Vor einigen Jahren untersuchten Forscher einen nahegelegenen See bei Kanana und fanden dort eine seltsame Schlangenart. Um diese Sorte weiter zu analysieren nahmen sie eine der Exemplare mit ins Labor. Unwissend hatten sie allerdings eines der Schlangenkinder gegriffen und als die Schlangenmutter dessen bewusst wurde, machte sie sich auf die Suche nach ihrem verlorenen Sohn. Ein schweres Unwetter kam über die Region und in den Wolken konnte man das Abbild einer gewaltigen Schlange sehen. Die Schlange konnte ihr Kind natürlich nicht finden und seitdem macht sie sich immer wieder auf die Suche - so auch am Freitag vor 2 Wochen.

Hört sich nach Kindermärchen an? Daran dachte ich zunächst auch, doch den Menschen hier ist es zutiefst ernst damit.


Letzten Samstag klingelte um halb5 Uhr morgens mein Handy, doch verschlafen wie ich war, antwortete ich nicht und sah erst beim Aufwachen, dass mich mein jüngerer Gastbruder versucht hatte anzurufen. Als ich ihn auf die Uhrzeit ansprach, verzog er sein Gesicht. „Du weißt nicht, was mir passiert ist… Es war noch dunkel und ich kam von der Party zurück und lief unsere Straße entlang. Aus irgendeinem Grund verspürte ich das Verlangen mich umzudrehen. Da lief eine alte Frau in weißem Nachthemd hinter mir her. Mein Herz stolperte und beinahe wäre ich hingefallen. Modimo, eine Hexe! Zum Glück schaute sie nicht nach mir, denn… du musst wissen… schaue einer Hexe niemals in die Augen, das könnte das Ende bedeuten! Ich huschte also schnell in unseren Vorgarten und versteckte mich hinter dem Haus am Fenster zu deinem Zimmer – deshalb der Anruf.“

Ich schaute Lucky kopfschüttelnd an und erwiderte, ich glaube ihm seine Geschichtchen nicht mehr – denn er hat seinen Spaß daran mir allerhand Unfug zu erzählen und während ich ihm in den ersten Wochen noch alles abnahm, bin ich da inzwischen doch sehr vorsichtig geworden. „No, seriaaaas, I am very, very, very seriaaas.“ Hahaha „No, Sophie! Mapula! really!” „Lucky, how can I ever believe you again!?“ „Ahhh okay, ask Yvonne, ask her, if there exist witches.” “Okay, I’ll do that.”

Und ich tat es. Ungläubigen Blickes trat ich an Yvonne und fragte sie nach der Existenz von sogenannten Hexen. „Natürlich gibt es die! Oh, da musst du aufpassen, die können ganz fiese Sachen mit dir anstellen! An meiner Uni damals in Pretoria…“ Und sie erzählte mir die wildesten Geschichten über Hexenstudenten und Zauberei.

Ich gestand Yvonne meine Zweifel und erklärte ihr auch, dass ich solche Geschichten aus Deutschland eigentlich nicht kenne. Wir mutmaßten, dass das mit großer Wahrscheinlichkeit mit der unterschiedlichen Herangehensweise an Dinge zu tun hat. So werden Unwetter, Krankheit, Probleme und so weiter in Afrika oft „zauberhaft“ erklärt, während wir da in Deutschland (und weitgehend in europäischen Gefilden) doch eher zu wissenschaftlichen Erklärungen tendieren.


Passend dazu besuchte ich dann mit Yvonne am Freitag einen Sangoma – traditional healer. Sie wollte mich nach unseren Gesprächen endlich mal persönlich mit einem der sagenumwobenen Sangomas bekannt machen. Wir fuhren also in ein Nachbardorf, wo sich etwas abseits das Häuschen und die kleine Viehzucht des Heilers befinden. Der Alte war nicht zugegen, so übernahm sein Sohn (oft treten die Kinder der Sangomas in ihrer Eltern Fußstapfen) die Sitzung.

Einer uralten Tradition entsprechend arbeiten die meisten Sangomas dieser Region mit der „ditaola“ – ich hatte diese schon im Museum über den Stamm der >Bakgata< gesichtigt. Die „ditaola“ ist eine Sammlung von verschiedenen Steinen, Muscheln und Dominosteinen, die zusammen in einen Fellsack (ich konnte das ehemalige Tier leider nicht mehr erkennen) gegeben werden. Dann hält der Sangoma das Ende zu, damit kein Objekt herausfallen kann, spricht den Namen der zu untersuchenden Person und klopft den Sack einige Male auf den Boden. - Später wurde mir erklärt, dass er dadurch Kontakt zu seinen Ahnen und denen des „Patienten“ aufnimmt. – Anschließend wird der gesamte Inhalt auf einem Teppich ausgeschüttet und dann beginnt das „ditaola lesen“. Der Heiler sprach für bestimmt eine halbe Stunde und Yvonne machte nur „mhh“ oder „mhh-mhh“. – Sie muss seine Aussagen nämlich immer bestätigen oder aber negieren. – Dann stand er auf und begab sich an das vollgestellte Regal mit allen möglichen Flüssigkeiten, Wurzeln, gemahlten Substanzen und bereitete eine Mixtur für Yvonne, mit der sie sich waschen solle, ein sogenannter „Muthi“.

„Muthi“ sind Zaubertränke, die man sich beim Sangoma zubereiten lassen kann. Es gibt Muthis für alle Lebenslagen und Bedürfnisse. Von „bring-deine-alte-Liebe-zurück“, „mach-deinen-Chef-krank“ und „Viagramuthi“ zu „schütz-dich-vor-bösen-Menschen“ und „lass-den-geldgierigen-Verwandten-ersticken“. Besonders an Familienfesten müsse man ganz besonders achtsam sein, da die meisten Muthis bei solchen Gelegenheiten zur Nutzung kämen. Schon einige Bekannte seien nach einer Hochzeitsfeier oder Beerdigung misteriöserweise ums Leben gekommen. Du lebst gefährlich in Südafrika!

Auffrischung

Lange nichts mehr von mir gehört? Entschuldigt mich. Die Zeit rast und das Internet ist langsam.

Ich war in der Woche vom 19.-23. Oktober auf einem groundBREAKER Camp in Pilanesberg.

Der Nationalpark ist landschaftlich wirklich schön und mit Glück kann man die „Big 5“ sichten (Löwe, Gepard, Elephant, Büffel und Rhinozeros). Wir verbrachten mal wieder eine Nacht draußen im Busch, allerdings vor dem Schutzzaun und nur im Bereich von Giraffen, Zebras, Impalas, Affen und sonstigen freundlichen Gestalten^^ Dieses Mal waren wir auch eine sichtlich kleinere Gruppe mit nur 13 Teilnehmern und zwei Begleitern und so konnten wir alle mit unseren Schlafsäcken ums Lagerfeuer herum liegend schlafen. Zusätzlich erhielt jeder seine Stunde Wachschicht – meine war von 3- 4 Uhr morgens – und ansonsten sollten wir einfach der Natur lauschen.

Das Ganze war ein Abschlusscamp für die groundBREAKER des vergangenen Jahres und so konnte ich mich mit einigen der behandelten Themen noch nicht so gut identifizieren, da mich ja noch 9 weitere spannende Monate erwarten. Die Blocks zum lL Programm „Take back the future“ waren allerdings überaus interessant und brachten mir wieder ins Bewusstsein, wie einzigartig und genial >mother nature< doch ist.

Ich genoss die Tage im Freien, aber auch meine Rückkehr ins Office war sehr schön, da ich doch ziemlich vermisst worden war und mich freudestrahlende Gesichter und ein Gläschen Wein willkommen hießen!

Sonntag, 11. Oktober 2009

School is out

Mittwoch, der 31. September. Das war der letzte Schultag vor den Frühlingsferien. Wir verließen das Office recht zeitig und ich fuhr mit Yvonne nach >dropong<, um einige Einkäufe zu erledigen und auch mal wieder beim Friseur vorbeizuschauen. Hier in Luka gibt es zwar Salons, diese sind jedoch weniger auf Haarschnitte mit der Schere, denn auf Flechten und Extension mit Nadel und Faden ausgerichtet. So suchten wir nach einem afrikaanischen Haarsalon und wurden auch schnell fündig.

Von außen machte die Einrichtung einen seriösen Eindruck und so zögerte ich nicht lange einzutreten. Es war nichts los und so wurde ich auch gleich auf einen Stuhl geschoben, Kopf nach hinten und wasch, schrubbel, kämm. Die Friseurin war eine ältere, stämmige Dame –What do you want!? –I’d like to have a new haircut and my dry ends have absolutely to be cut. –Ok. Das war’s dann ihrerseits auch schon von wegen Stilberatung. Sie packte die erstbeste Strähne und schnipp schnapp warn die Haare ab. Kontemporär teilte mir mein Spiegelbild den Schockzustand seines Gegenübers mit. Noch nie wurden meine Haare mit so wenig Respekt und Sensibilität behandelt, wie in dieser Viertelstunde. Ich wusste noch nicht einmal was ich sagen sollte, aber wie gesagt endete das Grauen schon nach kurzer Zeit. Yvonne schaute mich ganz ungläubig an, als ich mit nassen Haaren vor ihr stand. –Are tsamaye. –Sharp. Ich zahlte die 120 Rand und verließ das Gruselhaarinett. Draußen erklärte ich Yvonne was drinnen geschah und wir mussten beide über diese kranke Frau von Friseur lachen. –Never ever again!

Donnerstag, der 1. Oktober. An diesem Datum wird in Südafrika der Heritage Day gefeiert und wie immer mussten wir loveLifer natürlich an die Arbeit. Dieses Mal handelte es sich um eine Kombination aus Environment- und Performing Arts- Festival in Phokeng. Um halb 9 trafen sich alle lL Mitarbeiter und jugendlichen Teilnehmer, es wurden rot- weiß- gestreifte Plastikschürzen, Handschuhe und gelbe Mülltüten verteilt und dann ging die Jagd auf die unzähligen Müllberge los, wobei wir uns auf zwei Plätze am Straßenrand konzentrierten. Während ein Großteil der Teilnehmer den Müll sammelte, standen einige andere an der Straße, um die vorbeifahrenden Autos und Insassen auf unser Projekt aufmerksam zu machen. Nach 2 Stunden Sammelaktion in der brütenden Hitze bewegte sich unsere rot- weiß- gelbe Menschenkolonne Richtung Bafokeng Conference Centre, wo die Performing Arts Show stattfinden sollte. Dieser Abschnitt war bisher das Schönste und Inspirierendste, was lL Festivals betrifft: Jugendliche, die selbst verfasste Gedichte vortrugen, traditionelle Tanzgruppen in Tarzanoutfit, Theatersketche, Hip- Hopper und vieles mehr.

Freitag, der 2. Oktober. Eigentlich ein Brückentag, doch wir wurden morgens trotzdem wieder ins Office berufen, einfach nur um da zu sein. Kein Kommentar mehr dazu. Yvonne und ich, da wir ab 11 Uhr alleine waren, entscheiden dann aber um 12 nach Hause zu gehen, das Wetter war auch einfach zu perfekt um sich einmal auszuruhen. Strömender regen, Wolkenhimmel, Dunkelheit. Herrlich! Bei so viel Hitze und Sonne beginnt man das „schlechte Wetter“ einfach zu genießen. Zuhause nahm ich dann erstmal ein langes heißes Bad und als ich so vor meinem Spiegel saß und mir die Haare kämmte, überkam mich plötzlich der Drang zur Selbsthilfe, ich griff zur Schere und voilá, ein luftiger Nacken! Die Überraschung war groß sowie die Rückmeldung plus artig.

Samstag, der 3. Oktober. Wie üblich. Nicht zu spät aufstehen (die Südafrikaner hier sind wirklich kein Ausschlafvolk), Frühstück vorbereiten (Yvonne fegt Samstagmorgens den Boden und ja, ich kann Motogo kochen), meine Wäsche waschen (wir haben immer noch keine Maschine, aber die Hände tun’s auch und ich hab mich dran gewöhnt), Einkaufen gehen (meistens alle Zutaten für das Sonntagsessen). Dieser Samstag sollte aber etwas speziell verlaufen, da wir zum >Tombstone Unveiling< nach Brits aufbrechen sollten. Wie immer verschob sich die Abfahrt aber stündlich, Mapitso kam in der Zwischenzeit an, wir aßen zu Abend, saßen quatschend in meinem Zimmer, bis irgendwann Yvonne anklopfte, um uns mitzuteilen, dass wir erst um 3 Uhr aufbrechen würden. –Better we sleep a bit.

Der Wecker holte uns dann um halb 3 aus den tiefsten Träumen und schlaftrunken zogen wir uns unsere Kleider über. Mit dem Auto von Mmamas Lebensgefährten fuhren wir dann in einer zweistündigen Nachttour zum Hause der verwandten Familie.

Sonntag, der 4. Oktober. Wir kamen um kurz nach 5 Uhr an und wurden in die Kirche – ein im Vorgarten aufgestelltes Zelt mit Bestuhlung und einem Tisch – gebeten, wozu wir Frauen uns auch Tücher um die Köpfe binden mussten. Nach einer Vorstellungsrunde vor den anderen Anwesenden kamen alle nächsten Verwandten nach vorne und in einer Zeremonie aus singen und tanzen, bewegten wir uns kreisförmig um die Mutter der Verstorbenen herum. Der darauffolgende Akt verwirrte mich etwas, da es darum ging, Geld in einen Korb zu werfen, um die Geschenke (für die zurückgebliebene Mutter) öffnen zu können. Allerdings war nicht jede Münze gefragt, man sollte schon etwas bieten. Und Richter über den richtigen Geldbeitrag war seltsamerweise der Priester selbst. Dieser war leider nie zufriedenzustellen und so blieben nach einer an Auktionen erinnernden Dreiviertelstunde alle Päckchen verschlossen. Ganz schön ernüchternd und ungerecht.

Um halb 7 frühstückten wir dann teye le kuku (Schwarztee und die typisch südafrikanischen Kekse), um gegen 8 Uhr aufzubrechen. In einer Eskorte aus sechs Minibussen wurde die Gesellschaft zum Friedhof transportiert, wo die Enthüllung des Grabsteines stattfand. Eine recht kurze Prozedur im Vergleich zum ganzen Vorlauf, bei der nur einige wenige Lieder gesungen werden, der Pastor noch eine kleine Rede hält, um dann das Tuch dann langsam vom Grabstein aufzurollen.

Im Anschluss ging es wieder zurück zum Wohnhaus und das Mittagessen wurde – um halb 11! – aufgetischt. Dann ging es auch gleich ans Biertrinken, wovon wir uns allerdings zurückhielten, da die Sonne ja doch schon ziemlich stark war und keiner von uns vor hatte, einen Kollaps zu erleiden. Abends kamen wir dann verschwitzt und müde wieder zuhause an.

Montag und Dienstag waren zwei ziemlich langweilige Tage, da die Schule ja geschlossen hatte, fast alle mpintshis bei einem zweiwöchigen Job im Krankenhaus waren und wir im Office einfach mal gar nichts zu tun hatten. Zudem war die Sonne so stark, dass auch jegliche sportliche Betätigung zur größten anzunehmenden Qual werden würde.

Mittwoch, der 7. Oktober. Ein Tag voller Überraschungen. Um 10 Uhr tauchten zwei loveLifer aus dem Regionaloffice in Brits auf und fragten uns drei zurückgebliebenen groundBREAKER, ob wir nicht Lust hätten sie mit auf einen Projekttag für Waisenkinder zu begleiten. Gerne, endlich mal Abwechslung. Die Entscheidung sollte sich als folgenreich erweisen. Erstens: Wir hatten mit unseren lL Spielen ziemlich viel Spaß mit den Jugendlichen. Zweitens: Anstatt uns zurück ins Office zu bringen, setzte Pasika uns bei sich zu Hause in Rustenburg ab und meinte wir könnten über Nacht bleiben, da seine Frau am selbigen Abend ihre „Babyshower“ feiere und wir herzlich dazu eingeladen seien. Etwas überrollt von diesen Plänen und ohne Schlafanzug und Zahnbürste waren wir zunächst uneinig über diese Idee. Überzeugen konnte uns dann aber der Kompromiss, dass wir dafür mit auf das Cluster Sportscamp kommen könnten, welches am Donnerstag beginnen sollte – Pasika würde uns direkt von sich aus dorthin fahren. Mhhh.

Wir entscheiden uns also schnell ein Taxi nach Luka zu nehmen, die Sachen für Camp und Co. zu packen und uns auf das vorgezogene Wochenende einzulassen.

Die Babyshower war meiner Meinung nach mehr ein Vorwand um einfach mal unter der Woche eine Party zu schmeißen. Sollte mich nicht weiter stören. Übrigens – ich habe erfolgreich den „Eye- Master“ eingeführt, ist jetzt total der Renner =)

Donnerstag, der 8. Oktober. Shu e- e! (Typisch südafrikanischer Ausruf). Früh aus den Federn geweckt – wobei man das nicht Federn nennen kann, wir nächtigten auf einfachen Matten, aber für die kurze Schlafzeit war das ziemlich irrelevant –machten wir uns auf den Weg ins „Omaramba“ Camp, nicht weit von Rustenburg, wunderschön am See inmitten von grünenden Bergen gelegen! Dort startete das Programm nach einem einfachen Mittagessen mit der Fitness Battery. Ich erhielt die „Officials“, also nicht die sportlichen Kinder, sondern deren Trainer und es gab im Verlaufe des Nachmittags noch viel zu lachen. (Beispielsweise bei den Liegestützen oder beim Gewicht wiegen^^)

Das Abendprogramm war ein Mix aus kleinen Einlagen von Seiten der Jugendlichen mit Tanz und Drama und anschließendem Minikonzert eines neuen südafrikanischen Popsternchens, „Rogier“, der gleichzeitig ein guter Freund des lL Regionalofficeleiters ist. Kontakte halt =)

Die Nacht sollte aber den absoluten Höhepunkt des ganzen Trips bilden. Aus finanziellen Gründen, so wurde uns vom lL Campleiter mitgeteilt, hätte man dieses Mal keine Chalets für Teilnehmer und Mitarbeiter mieten können, stattdessen müssten wir alle – geschlechtergetrennt versteht sich – in den zwei Essenshallen auf dem Boden schlafen, Matten und Decken würden noch organisiert werden. Danke auch. Solche Infos werden natürlich immer erst mitgeteilt, wenn es schon zu spät zum Rückzug ist.

Als sich die Teilnehmer in ihren Hallen eingerichtet hatten stellte sich raus, dass die von den Mädchen bezogene Halle in ihrer Größe nicht dem Bedarf entsprach und so mussten alle ihre Sieben Sachen wieder zusammenpacken und die Hallen tauschen.

Yvonne, Keneilwe, Nonsa und ich hatten uns entschieden erstmal draußen zu warten, bis sich die Mädchen verteilt hätten, um dann eigene Schlafstätten zu suchen. Beim Betreten der Halle drehte sich uns dann aber der Magen um: Ein geschätzt 25 mal 15 Meter großer Raum, vollgestopft mit Matten, Decken, Rucksäcken, Bällen und 100 wilden 12- 17 Jahre alten Mädchen! Es war der absolute Horror und der Witz dabei war, dass es keine Matratzen mehr gab und wir uns aus Decken ein Lager zusammenflicken mussten. Es war hart und extrem ungemütlich. Noch problematischer war allerdings der Geräuschpegel, den ich nicht in Dezibel auszudrücken vermag, aber zum Vorstellen: Um dem Rumgeschreie zu entkommen, stöpselte ich meine Kopfhörer in den iPod und drehte das Volume auf Maximum. Seltsamerweise war keine Musik zu hören – OK, das ist leicht übertrieben, aber die Hörqualität war doch massiv eingeschränkt! – Neben diesen auditiven Strapazen war auch das Lichtmanagement ein einziges Desaster. Licht an- Licht aus- kreisch, kreisch- Licht an- Licht gedimmt- Licht an- Licht aus- kreisch, kreisch, kreisch. So ging es vom Zeitpunkt der Bettruhe um 10 Uhr PM bis nach Mitternacht.

Und um 4 Uhr morgens ging das Spiel wieder los, da wir um 8 Uhr an den Sportstätten sein wollten und die 100- köpfige Gruppe in 20- Mädchen- Schüben zu den Duschen gebracht werden musste.

Die Spiele hatten dann aber doch an die zwei Stunden Verspätung, da der Transport von Omaramba zu den „grounds“ länger dauerte, als geplant. Wir kamen also genau in die Mittagshitze und ich war froh, dass ich als Beobachterin immerhin mit Hut und Squeezebottle ausgestattet war.

Beobachterin? Dazu eine kleine Erläuterung was es mit den „Cluster Games“ auf sich hat. loveLife veranstaltet einmal jährlich die „All Star Games“, ein nationales Tournier in den lL Disziplinen Soccer, Basketball, Volleyball, Netball, Ultimate Frisbee, Ultimate Dance und Debate. In den „Side Games“ (lokal) werden Mannschaften aus Schulen und Sportvereinen rekrutiert. Das beste Team kann dann weiter zu den „Cluster Games“ (regional). Dort wird aus den besten Spielern der verschiedenen Teams ein neues Team gebildet, dass dann bei den All Star Games unsere Provinz repräsentiert. Daher Beobachterin.

Samstag, 3. Oktober 2009

Dorfleben

Was genau bedeutet das eigentlich? In einem Dorf leben? Genauer gesagt, in einem südafrikanischen Dorf? In einem Dorf der North- West- Province, Bojanala Region, Royal Bafokeng Nation nahe Rustenburg? Ist jetzt grad nicht so präsent? Da kann ich auf die Sprünge helfen!

Fangen wir doch einfach bei den Dingen des Alltags an: Küche, Klo, Kaufen.

Küche. Dazu bin ich ja schon in meinem Essensbeitrag einiges losgeworden, aber damit ihr euch die Kochumstände etwas besser vorstellen könnt, hier noch mal einige Worte dazu. Die Küche ist nicht gleichzusetzen mit der Kochstelle. Erstere befindet sich nämlich im Wohnhaus, während Letztere in einem extra Anbau wenige Meter gegenüber liegt. Das bedeutet, dass wir mit den Töpfen, Löffeln, Zutaten und Streichhölzern in einem fort zwischen Küche und Kochstelle hin- und herpendeln und jegliches Nachsalzen zu verhindern suchen. (Ich weiß schon, jeder GanK macht schlanK, aber beim Kochen ist das ewige Rumgerenne manchmal ganz schön nervig!)

Aufmerksame Leser haben natürlich schon den Streichhölzer- Wink verstanden, wir kochen mit Gas, denn das ist Strom sparend. – Sogar im Fernsehen erscheint abendlich die Anzeige der Regierung, man möge doch bitte sparsam mit der Elektrizität umgehen, nicht im Gebrauch seiende elektronische Geräte sowie unnötige Lichter ausschalten. Doch auch wenn wir des Stroms wegen mit Gas kochen, läuft Mamas Radio den ganzen Tag und wir genießen jeden Abend Festtagsbeleuchtung. Paradoxe Mentalität. – Unser Gas kommt allerdings nicht direkt aus der Leitung, sondern wird in Gas- Containern gekauft und an den Herd angeschlossen. Zum Thema Strom und Elektrizität scheint mir noch interessant, dass man diese nicht monatlich per Rechnung bezahlt, sondern in Raten beispielsweise im Post Office erwerben kann. Es heißt dann: Ich muss mal eben etwas Elektrizität kaufen gehen.

Wo ich nun schon das Post Office erwähnt habe, gestatte ich mir noch einen kurzen Exkurs passend dazu. Das Haus in dem ich lebe befindet sich laut Adresse in keiner Straße, denn meine Anschrift besteht aus Name und Zuname, Dorf, Sektion (etwa Viertel), Hausnummer und PO Box. Gerade Letztere ist interessant, denn anstatt eines Briefkastens haben wir nur die PO Box, in der Briefe, Werbung und Päckchen gesammelt werden. Einmal die Woche geht dann meistens einer von uns am Post Office vorbei, um alles einzusammeln.

Klo. Ähnlich wie um die Küchensituation, steht’s auch um Tante Berta, Herzenhausen, Marmorstadt, Dongstation oder welche anderen euphemistischen Spitznamen noch dazu erfunden wurden. Bad ist nicht gleich Toilette, was bedeutet, dass ich mich drinnen im Bad wasche, den ureigensten Trieben jedoch draußen nachgehe. Nein, nicht draußen im Gebüsch. Wir haben im hinteren Teil des Gartens ein kleines Wellblechgebilde, in dem sich zwei getrennte Toilettenräume befinden. Anfangs vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber sobald akzeptiert, hat es doch auch einige Vorteile so an der frischen Luft . Hinzufügen möchte ich außerdem, dass die Toilettenqualität in unserem Hause (bzw. Garten) ziemlich hoch ist, da wir die normale Keramikvorrichtung mit Brille etc. haben – als ich mich vor 2 Wochen bei einer Bekannten umsah, war die Toilette einfach nur ein Loch in einem Steinquader. Natürlich gibt es aber auch hier hausinterne Toiletten, die von mir beschriebene Variante ist allerdings die Normalität.

Kaufen oder Wie was wo zu erhalten ist. Es gibt in diesen „rural areas“ nämlich hauptsächlich folgende drei verschiedene Einkaufsmöglichkeiten:

Erstens den „tack shop“ – Meist ein kleines Wellblechhäuschen im Vorgarten zur Straße raus, in dem man meistens Airtime (Handyguthaben), Koldrinki und Sweets, manchmal auch noch Borotho, Namune (Orangen) und Tamati kaufen kann.

Zweitens den „shopong“ – Ein mehr oder weniger großer Laden mit den wichtigsten Dingen wie Brot, Milch, Obst und Gemüse, Kaffee, Tee, Klopapier, Reis, Maismehl, Dosenware, Zeitung, … Einige dieser „shopongs“ werden von Chinesen betrieben, wie auch immer die hier gelandet sein mögen. Wichtiger Dreh- und Angelpunkt in Luka ist >Bobos Shop<, in dem man die breiteste Auswahl an Speis und Trank, außerdem ein kleines Internet- Café und eine Spielhalle hat. Die lukanische Jugend (wenn auch hauptsächlich die Jungen) treffen sich hier gerne abends um zu Kickern und Abzuhängen.

Drittens der „Butcher“ – Oft in Verbindung mit einer Taverne und Braaistelle. Zum Butcher gehen wir dann, wenn wir Rindfleisch brauchen oder gegrillt werden soll. Da es hier keinen „Liquor Store“ gibt, wird auch das Bier meist beim Butcher, bzw. in der Taverne gekauft.

Alles Weitere wie Supermarkt und Bekleidungsgeschäfte gibt es dann erst wieder in Rustenburg, etwa 30 Minuten mit dem „Taxi“ von Luka aus entfernt.

Dienstag, 22. September 2009

Wasser

Ich weiß nicht, wer sich noch an die Proteste letztes Jahr am >Tag des Wassers< (oder etwas in der Art) erinnert, an dem Menschen in Afrika und Asien auf die Barrikaden gingen und protestierten, jeder Mensch auf der Welt hätte das Recht auf freien Zugang zu frischem Wasser. Bislang konnte ich mir die Situation derer zwar vorstellen, aber wirklich erlebt habe ich sie noch nicht. Das hat sich seit meiner Ankunft in Südafrika allerdings gewandelt.

Es war Sonntag, wir hatten eben zu Mittag gegessen und Lucky und ich standen in der Küche, um das Geschirr zu waschen. Ich drehte den Warmwasserhahn auf. Niks. Ke ga metsi a bollo. Ich drehte den Kaltwasserhahn auf. Niks. Ke ga metsi a maruru. Fragend blickte ich zu Lucky. Lucky blickte gequält zu mir. –O nein, sie haben das Wasser abgestellt. –Wer SIE?
–Mhh, oder die Leitung ist irgendwo durchgebrochen. –Wo? –Das kann einen Tag oder eine Woche, sogar einen Monat dauern, bis sie das Problem wieder behoben haben. –Einen Monat? You are kidding! –Nee du.

So mussten wir eine Schubkarre rüber zum Onkel schieben, unseren blauen Kanister mit Wasser aus einem Bodenspeicher pumpen und diesen zurück nach Hause hieven. Dazu sei gesagt, wir sind 11 Leute im Haushalt, wir essen Bogobe (Maismehl in Wasser angerührt), wir trinken Tee (bekanntermaßen ein Teebeutel im heißen Wasser) und wir waschen uns. Meine Haare erwiesen sich hier natürlich als äußerst unpraktisch, da sie viel Wasser zum waschen brauchen und zudem das auch noch alle 3 Tage!

An diesem Sonntag betete ich inniglichst, das Wasser möge so schnell wie möglich wieder in unseren Leitungen fließen. Bitte, bitte keine Woche, keinen Monat mit in der Schubkarre zu schiebendem Pumpwasser vom Onkel im blauen Kanister! Bitte nicht!

Glücklicherweise sollte meine Bitte erhört werden, denn als wir am nächsten Tag aus der Schule zurück ins Office gingen, sah ich ein Kind Wasser aus dem Gartenschlauch trinken.
–Hei! Hei! Bona! (Schaut!) Wenn der Junge da Wasser aus dem Hahn trinkt… müsste dann nicht auch bei mir zuhause... –Ja. Strimmt. –Juppie!!! Wer tanzt mit mir den Wassertanz? Ich kann euch gar nicht sagen wie glücklich ich bin!
Und so hüpfte ich die letzten Meter zum Office Freudensprünge. Wasser! Einfach göttlich!