Mittwoch, 26. Mai 2010

Eine Hochzeit und zwei Todesfaelle.

Wie im Film, aber im wahren Leben fehlt leider der humorvolle Teil.


Am Donnerstag, den 13. Mai 2010 wurde in der Thethe High School direkt neben unserem Y-Centre der >Memorial Service< fuer einen am Wochenende zuvor verstorbenen Schueler abgehalten. Die Todesumstaende waren und sind immer noch mehr als mysterioes und bedrueckend: Er war am Freitagabend mit Freunden unterwegs gewesen und hatte gemeinsam mit ihnen ein paar Bier getrunken. Ploetzlich fuehlte er sich nicht wohl und legte sich hin. Er muss einige Kraempfe durchlitten haben bevor er starb. Spaeter konnte man Spuren von Gift im Bierglas nachweisen... Woher kommt denn nun das Gift und wer hat es untergemischt? Viele noch ungeklaerte Fragen und besonders schmerzlich in dem Wissen, dass er anscheinend mit „Freunden“ unterwegs war.

Die Andacht, bei der wir als loveLife Team mit unserem SoundSystem eingeschlossen Mikrophonen und musikalischem Hintergrund involviert waren, war sehr beruehrend und als der Jungenchor „One day we’ll all be in heaven and I’ll be wearing my golden shoes“ sangen und bei den gesummten Strophen mit Anekdoten an den Verstorbenen erinnerten, blieb kaum ein Auge trocken. Es war sehr ergreifend und Familie und nahestehende Freunde waren dankbar ueber jede anzulehnende Schulter.

Die Beerdigung fand am folgenden Samstag frueh morgens in Phokeng statt und eine grosse Trauergemeinde zog ueber das Feld zum Friedhof.


Am gleichen Samstag gab es allerdings auch die Hochzeit einer unserer ex-Mpintshis zu feiern, die fast das ganze Y-Centre zu dieser Festivitaet geladen hatte. Nach Schliessung des Centres gegen halb5 machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum Haus ihrer Eltern. Es gibt in Suedafrika naemlich immer zwei verschiedene Orte, an denen gefeiert wird, zum Einen das Haus der Brauteltern und zum Anderen das der Braeutigamseltern. Da wir aber von der Braut eingeladen worden waren, konnten wir nicht zum viel naeher gelegenen Braeutigamshaus gehen.

Nach einer guten halben Stunde Fussweg gelangten wir zum Ort des Geschehens, beziehungsweise Ort des Ungeschehens, denn als wir ankamen war nicht sehr viel los, ausser ein paar aelterer Herren im Stuhlkreis mit „homebrewed bear“ und der zu wuenschen uebrig lassenden >Luka Brass Band<. Auch auf meine Bitte hin „Kekopa go batsameka pila!“ (please play nicely!) wurde es nicht wirklich besser. Doch auch unser Stuhlkreis weitete sich immer weiter aus, die DJs fingen an, House aufzulegen und bei uns ging langsam aber sicher die Party los. Es wurde getanzt, getrunken, gelacht. So wie das ja bestenfalls immer sein soll.

Typisch suedafrikanisch verliessen wir die Feier dann aber schon gegen 9 Uhr abends, die Gastgeberin war auch schon halb auf dem Weg ins Bett und unsere Gruppe teilte sich auf. Manche gingen noch hierhin, manche nach Hause und Yvonne konnte gluecklicherweise von Godfrey und Lesego ueberredet werden noch mit zu Petlele zu kommen, eine nahegelegene Tavern, in der man ungestoert und nett draussen sitzen kann. Waere es nicht um die Ueberredungskunst der beiden Herren gewesen, haette ich dann wohl auch um halb10 mein Kopfkissen gegruesst, denn alleine laesst mich ausi Vovo dann doch nicht gern ziehen.


Am Montag, den 23. Mai als ich gerade vom Seminar zurueckgekommen war und mich in der Thethe High School bei den Lehrern nach dem neusten Stand der Dinge erkundigen wollte, musste ich erfahren, dass es einen neuen Todesfall gab. Ein Junge der Abiturklasse war von Sonntag- auf Montagnacht an einer bisher noch ungeklaerten Krankheit verstorben.

Anscheinend ging es ihm schon seit dem vorangegangenen Mittwoch nicht gut und er hatte die lokale Klinik aufgesucht, wo man ihm allerdings aufgrund des Mangels an Medikamenten nur paracetamol mit nach Hause gab. Er fand keine weitere Untersuchung statt, er wurde nicht ins Krankenhaus verwiesen und fuer einen Arztbesuch war das Geld nicht vorhanden. Als sich dann am Sonntagabend sein Zustand verschlimmerte, er nur noch schlief und nicht mehr ass, trank noch redete, wurden die Familienangehoerigen doch besorgter, aber das Glueck einer Ambulanz genoss der Junge leider nicht mehr. Er verstarb in der selben Nacht.

Die Nachricht eines weitern Todes in dieser so kurzen Zeit erschuetterte uns alle sehr und Unglaeubigkeit und Angst machte sich breit. Gerade in der suedafrikansichen Kultur kommt bei solchen Vorkommnissen einfach der Verdacht auf >schwarze Magie< auf, vielleicht ist Thethe High School verhext oder verflucht...

Am morgigen Donnerstag wird also nach nur zwei Wochen der zweite >Memorial Service< stattfinden. Gestern kam mich deshalb ein enger Freund des verstorbenen Jungen um Hilfe bitten, er solle die Rede halten, aber wisse nicht, wie anfangen. So setzte ich mich mit ihm nach draussen und fing an ihn ueber besondere Charakteristiken seines Freundes zu befragen, was ihn so einen guten Freund machte, fuer was er bekannt war und welche Situationen ihm zu diesem einfielen. Er redete lange mit mir und erzaehlte mir eine Menge ueber seinen Freund. Daraufhin gab ich ihm Stift und Zettel und bat ihn, das Erzaehlte versuchsweise auf Papier zu bringen. Als ich seinen Text las, spuehrte ich schon, wie sich meine Augen mit Traenen fuellten. Ich half ihm dabei, die Rede zu gestalten und regte ihn zu einigen Veraenderungen an. Am Ende hatten wir sehr viele schoene Passagen, die es nur noch galt zusammenzulegen.

Morgen um 12 Uhr werden wir also erneut mit SoundSystem und Co. in die Schulhalle gehen udn ich ahne, dass es wieder sehr ergreifen wird.


Die einzige Frage, die ich mir jetzt noch stelle... Wie kommt es, dass ich seit meinem Aufenthalt in Suedafrika mit so viel Tod konfrontiert werde, wie bislang in meinem Leben nicht? Ist es die Dorfsituation, in der man viel naeher an allem dran ist? Ich weiss es nicht. Und neben den erwaehnten Faellen ist heute der Anruf eingegangen, die schwangere Freundin einer meiner Arbeitskollegen sei gestern bei einem Autounfall ums Leben gekommen, ein anderer Bekannter hat erst vor drei Wochen sein Neugeborenes verloren und der anderthalbjaehrige Sohn unseres Theaterlehrers ist zu einer aehnlichen Zeit erkrankt und ebenfalls gestorben. Vier Schuelerinnen der Middle School haben einen Elternteil verloren und ein Schueler der High School seinen kleinen Bruder. Ich koennte jetzt noch ewig so weiter machen, aber darum geht es mir ja auch gar nicht. Es ist nur seltsam so permanent mit dem Sensemann konfrontiert zu sein, aber gleichzeitig auch interessant mitzuerleben, wie mit Verlusten umgegangen wird... „God has taken him/her for a reason... everything happens for a purpose... the world is still rotating and life goes on...there is nothing we can say or do...” Ich glaube, vermute, dass auch diese Art des Umgangs mit Tod und Verlust zum Teil mit der „mentality of struggle“ zu tun hat. Die Bevoelkerung hier sieht es quasi als ihr Erbe an, zu leiden und Schwierigkeiten zu haben. Nichts kommt einfach und schmerzlos daher und wenn doch, dann kann es nicht mit rechten Dingen zugehen.


Dies sind natuerlich nur subjektive Beobachtungen und meine klaeglichen Versuche, mir diese Welt begreifbarer zu machen und sie fuer meinereins zu erklaeren.

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