Dienstag, 22. Juni 2010

Artikel. Fussball oeffnet Tueren im Kampf gegen AIDS.

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Meine Anmerkungen

Rustenburg. Jugendliche sind in Südafrika besonders gefährdet, sich mit dem HI-Virus anzustecken. "Lovelife" ist eine Hilfsorganisation, die sich des Problems annimmt. Die Fußball-WM hilft dabei, Türen zu öffnen.

Die Boxen sind draußen angebracht, schließlich spielt sich das Leben in Südafrika hauptsächliche unter freiem Himmel ab, ob Winter oder Sommer. Die Lautsprecher sind so groß, die würden jeder Diskothek gut zu Gesicht stehen. Die Musik, die aus ihnen dringt - irgendwas zwischen afrikanischem Hip-Hop und traditioneller Musik - unterhält die ganze Nachbarschaft.

Stimmt! Und es zieht auch unsere Jugendlichen und Besucher an!

35 bis 40 Kinder und Jugendliche tummeln sich auf dem Gelände des Jugendzentrums Luka in der Nähe von Rustenburg. Es liegt in einem Township, aber von Township will hier keiner reden. Ein Dorf sei es, sagt jeder. Township klingt zu negativ, klingt so nach Shacks, den typischen Wellblechhütten, und nach Armut.

Luka ist wirklich kein Township. Es ist schon seit jeher eines der 29 Royal Bafokeng Doerfer unter ihrem Koenig "Kgosi".

Die Kids spielen Volleyball, Basketball, Fußball. Wer sich gerade nicht bewegt, beschäftigt sich mit dem Handy. Hier hat jedes Kind ein Handy mit Internetzugang. Wie das bezahlt wird? Allgemeines Desinteresse an so einer Frage.

Es wirkt, als sei dies typisch suedafrikanisch, doch wenn ich an daheim oder Italien denke... ich glaube dieses Phenomen ist global. Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene die unglaubliche Summen fuer ihr Handyguthaben verschleuedern und sich extremst verschulden.

Einige probieren den Diski-Dance, ein extra für die WM konzipierter Tanz mit einer Menge Fuß- und Beinbewegung. "Die Regierung hat in den vergangenen Monaten viel Wert darauf gelegt, dass wir das üben", sagt Anne-Sophie Waag, eine 20-jährige Berlinerin, die im Zentrum arbeitet. Die Kinder und Jugendlichen, die sogar ein eigenes Tonstudio haben, in dem die Musik aufgelegt wird, die das Dorf beschallt, sind glücklich hier. Und wenn es irgendwo zwickt, steht eine Krankenschwester bereit, die in einer medizinischen Abteilung für Abhilfe sorgt. Es ist eine Idylle an einem sonst trostlosen Fleck Erde.

Wirkt doch sehr dramatisch. Natuerlich ist es im Vergleich zu den grossen Staedten Pretoria, Johannesburg und Cape Town lang nicht so flippig und belebt, aber trostlos. Nein. Langweilig. Manchmal.

Legt man die aktuelle Statistik zu Grunde, wird etwa jedes dritte Kind, das gerade noch fröhlich tanzt, in einigen Jahren mit HIV infiziert sein. Nirgendwo gibt es mehr mit dem Aidsvirus infizierte Menschen als in Südafrika. Im Alter von 15 bis 49 trägt jeder Fünfte Südafrikaner den HI-Virus in sich. Die Altersgruppe zwischen 15 und 34 ist besonders betroffen, darunter sind wiederum Mädchen und junge Frauen die Hauptleidtragenden. In dieser Gruppe beträgt die Ansteckungsrate bis zu 35 Prozent. Die Gründe sind bitter und simpel: Es gibt sexuelle Gewalt im familiären Umfeld, Polygamie, Mädchen werden schwanger. In der Zeit der Schwangerschaft ist das Ansteckungsrisiko doppelt so hoch. Frühe Schwangerschaften führen zu Schulabbruch und in der Folge zur Prostitution - ein Teufelskreis.

Diesen zu durchbrechen, hat sich die Non-Profit-Organisation Lovelife zur Aufgabe gemacht. Das hehre Ziel: In den nächsten fünf Jahren die Ansteckungsrate bei den Jugendlichen zu halbieren, sagt Conny Jager, die bei Lovelife als Entwicklungshelferin arbeitet. Lovelife ist Südafrikas größte HIV-Präventionsorganisation. Die Hilfsorganisation hat bisher 18 Jugendzentren in Südafrika aufgebaut und mit Personal versorgt. Eines davon ist das in der Nähe von Rustenburg, das nach Lovelife-Prinzipien geleitet wird.

Lovelife klärt auf, fördert den Dialog mit den Eltern. Die Jugendlichen treiben Sport, diskutieren, lernen ihre Talente kennen, gewöhnen sich daran, eigene Entscheidungen zu treffen. "Es reicht nicht, ,nur aufzuklären und Kondome zu verteilen. Die Kinder müssen Persönlichkeit entwickeln, um in bestimmten Situationen auch einfach mal nein zu sagen", erklärt Conny Jager die Lovelife-Leitlinien.

Die Gruppe arbeitet mit so genannten Groundbreakern. Das sind ausgebildete Jugendliche, die Gleichaltrige über HIV/Aids aufklären. Über ein ähnliches Programm ist auch Anne-Sophie Waag in das Luka-Jugendzentrum kommen, das in Sachen Ausstattung jedoch eine Ausnahme ist. Hier lebt nämlich einer der reichsten Stämme des Landes (Bafokeng Nation). Und die haben einen König: Leruo Molotlegi, der 36. Monarch des Bafokeng-Stammes. Der versorgt seine Untertanen nicht nur mit Eintrittskarten für die WM, sondern finanziert auch mal ein Jugendzentrum.

Diese Absaetze sind gut und richtig recherchiert, nichts zu beklagen.

Viel los in Luka ist natürlich seit Beginn der WM. Auf einer großen Leinwand werden alle Partien übertragen. Wenn es nicht die Kinder selbst sind, die davor sitzen, dann sind es die Eltern, die den Service gerne annehmen.

Eigentlich nicht. Wir sind ein Jugendzentrum und Eltern kommen im Normalfall nicht her, es sei denn zu den Abendspielen, die wir immer wieder uebertragen. Doch viele sind es nicht. Eher die aelteren Geschwister, die begleiten.

Die Gelegenheiten sind rar sonst. Das Jugendzentrum wurde erst Ende November eröffnet und mit gehöriger Skepsis beobachtet. Fußball aber bringt die Menschen hier zusammen, öffnet Türen - im wahrsten Wortsinne.

Thomas Gotthart
http://www.swp.de/ulm/sport/wm2010/vorort/art1162297,525541

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